Die plattdeutsche Dialektsprache im 21. Jahrhundert
von Wolfgang Leopold
Die Bundesrepublik Deutschland ist sehr daran interessiert, die Regional- und Minderheiten sprachen lebendig zu halten; sie ist der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprache 1998 beigetreten. Ziel ist es, diese Charta-Sprachen zu schützen und zu fördern. Auch auf Landesebene wurden zahlreiche Initiativen gestartet bzw. ins Leben gerufen, um speziell das in norddeutschen Bundesländern (Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern) weitverbreitete Plattdeutsch zu fördern und zu unterstützen. Bedauerlicherweise muss heute festgestellt werden, dass die plattdeutsche Sprache gerade im südniedersächsischen Raum langsam aber stetig zurück geht. Es gibt bereits sehr viele Dörfer, in denen man plattdeutschsprechende Menschen einerseits mit der Lupe suchen muss, andererseits sinkt aber auch die Bereitschaft der Menschen dramatisch, mitzuhelfen, dass dieses wichtige Kulturgut nicht in der Versenkung verschwindet. Im südlichen Niedersachen ist in den letzten Jahren verstärkt erkennbar, dass es so etwas wie einen plattdeutschen Tourismus gibt.
Aus Mangel an Möglichkeiten, an seinem angestammten Lebensraum, plattdeutsch zu sprechen oder zumindest zu hören, werden z. B. überregionale Plattdeutschveranstaltungen ins Rollen gebracht, die vorwiegend von älteren Frauen und Männern besucht werden. In der Regel gibt es auch Programmpunkte mit Darbietungen von jungen Menschen, die oftmals speziell dafür einstudierte plattdeutsche Texte, Lieder oder Sketche vortragen. „Eck führe uwerall henn, wu plattdüütsches annebuuen weerd“ ist gerade von älteren Männern und Frauen häufig zu hören. Darüber hinaus gibt es auch in vielen Orten sogenannte Plattschwatzekreise, Lesezirkel, Freedach is Plattdach, plattdeutsche Lesewettbewerbe in Schulen und etliches mehr.
Da die genannten Veranstaltungen überwiegend von älteren Menschen besucht werden, die noch von Hause aus platt sprechen (in der Regel Ü75) ist doch die Frage erlaubt: „wie lange geht das noch so und was muss nachhaltig für den Erhalt der plattdeutschen Sprache getan werden, damit sie nicht gänzlich ausstirbt?“ Selbstredend geht es aber auch um den Erhalt und die Förderung der unterschiedlichen plattdeutschen Sprachnuancen, die bekanntermaßen von Ort zu Ort unterschiedlich sind. Zugegeben, ich habe einige Probleme, wenn z. B. plattdeutsche Online-Sprachkurse über natürlich vorhandene Sprachgrenzen hinaus gehen. Das bringt niemanden etwas, weil es im Grunde der Sache nicht dienlich ist, es sei denn, man will systematisch dialektische Unterschiede Stück für Stück aufweichen und allgemeinverbindlicher machen.
Wo sind aber die zukunftsorientierten Lösungen, um die Plattdeutsche Sprache, speziell in unserem angestammten Sprachraum, zu erhalten und zu fördern? Wenn ich mir die einschlägigen Institute und Verbände (die sehr stark von den Landesregierungen unterstützt und finanziell gefördert werden) anschaue, stelle ich mit großer Ernüchterung fest, dass die Ausrichtungen und Fördermaßnahmen hauptsächlich die Küstenländer betrifft, einfach deshalb, weil das plattdeutsche dort in hohem Maße tägliche Umgangssprache ist. Auf der anderen Seite habe ich bis dato keine Initiative wahrgenommen, die sich auf den südniedersächsischen Raum bezieht. Wir werden hier stiefmütterlich behandelt.
Andererseits, jedes Problem, mit dem wir es zu tun haben, ist menschengemacht. Wenn im Umkehrschluss Menschen nicht mitmachen, z. B. das Kulturgut „Plattdeutsch“ nachhaltig am Leben zu halten, geht es unweigerlich verloren. Deshalb muss es in jedem ursprünglich plattdeutschgeprägtem Dorf Männer und Frauen geben resp. sich bereit erklären, solche ehrenamtliche Arbeit für die Allgemeinheit zu leisten und es muss verstärkt Männer und Frauen jeglichen Alters geben, die die fantastische plattdeutsche Sprache erlernen wollen, und zwar die, die in ihrem Ort gesprochen wird.
Für den nachhaltigen Erfolg, sind nach meiner Auffassung heute mehr denn je plattdeutsche Arbeitsgemeinschaften und plattdeutscher Unterricht, nicht nur in Schulen, sondern auch in der Erwachsenenbildung dringend nötig. Um die plattdeutsche Sprache im angestammten Raum zukunftsfähig zu machen, müssen in jeglicher Hinsicht Tondateien erstellt werden und verstärkt örtliche Wörterbücher mit Lautschrift erstellt und archiviert werden. Genauso wie wir im hochdeutschen lesbare umgangssprachliche Wörter kennen, brauchen wir das geschriebene plattdeutsche Wort (z. B. Brühe - brǫįǝ – geschrieben: Broie; Beutel - bųįǝl – geschrieben: Buiel).